Die Corona-Pandemie

Inspirierte Konzepte statt Schließungsdebatte

Aus „die gemeinde“/Gemeindetag Baden-Würrtemberg  April 2021

Von Steffen Jäger, Präsident & Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Würrtemberg

Liebe Leserinnen und Leser,

wenn uns jemand letztes Jahr an Ostern gesagt hätte, dass wir im Frühjahr 2021 noch immer so weitgehende Beschränkungen erdulden müssen, wir hätten es wohl kaum geglaubt. Nun befinden wir uns in der dritten Corona-Welle. Einige Experten halten die Virusmutationen sogar für eine neue Pandemie. Ein weiterer Lockdown scheint immer wahrscheinlicher. Die aktuelle Entwicklung zeigt aber eines ganz deutlich: Wir werden Covid-19 in ein paar Monaten nicht vollständig niederringen, auch wenn wir bald viel mehr impfen. Deshalb stehen wir jetzt an einer kritischen Wegmarke: Selbst, wenn es ohne einen weiteren kurzen und harten Lockdown nicht geht, wir können es uns nicht mehr leisten wieder nur über Schließungen zu diskutieren. Und dies auf Regelungsgrundlagen, die immer komplizierter werden, sodass die Menschen sie nicht mehr verstehen. Die Akzeptanz der Beschränkungen würde noch weiter sinken – eine Entwicklung, die wir unbedingt vermeiden müssen. Wie vielversprechend schienen vielen in den letzten Wochen hingegen die Bilder aus Tübingen. Abgesichert durch Schnelltests flanieren Menschen durch die Innenstadt, sitzen auf Terrassen der Cafés oder gehen ins Kino. Was folgte, war zu erwarten: Tübingen wurde Wallfahrtsort für alle, die sich nach einem kurzen Ausflug in die Normalität sehnen. Verständlich und nachvollziehbar. Aber auch ein klares Signal, dass es Zeit wird, inspiriert zu handeln. Wir brauchen eine Strategie mit maßvollen und konkreten Schritten, um allen, flankiert vom Impffortschritt, wieder ein stückweit gesellschaftliches Leben zu ermöglichen. Die Kommunalen Landesverbände haben einen Weg skizziert, der die Akzeptanz der Menschen für die Beschränkungen aufrechterhalten und die Sichtbarkeit unkontrollierter Infektionsketten erhöhen könnte. Ein Ansatz dabei ist die landesweite Ermöglichung von Click & Meet im Einzelhandel. Ein zweiter Ansatz ist das Testen als Zugangsvoraussetzung für Bereiche mit wirksamen Hygienekonzepten.  Warum nicht mit Abstand und negativem Test einen Zoo besuchen, ins Museum gehen? Warum nicht im Straßencafé einen Espresso trinken? Und warum nicht getesteten Kindern Sport in der Gruppe ermöglichen? Die Menschen würden so auch einen konkreten Nutzen im Testen erkennen. Deshalb müssen die Möglichkeiten, die es in Tübingen gibt, baldmöglichst landesweit eröffnet werden. Auf dieser Grundlage ließen sich weitergehende Öffnungen wiederum in spezifischen Modellprojekten erproben, die – wenn sie erfolgreich sind – ebenfalls auf alle übertragen werden könnten. Sonst weichen viele wieder auf private Treffen aus, oft ohne Test, ohne Maske und ohne Abstand.